von Thomas Roy, Rechtsanwalt, Gemeinde- und Kreisrat aus Planegg, Lk. München
Bei der mündlichen Verhandlung der Popularklage am 12.11. im Bayerischen Verfassungsgerichtshof konnten die Vertreter des Bayerischen Landtages und der Bayerischen Staatsregierung den überzeugenden Argumenten der AntragstellerInnen, vorgetragen von Peter Paul Gantzer,MdL, sowie dem anwaltlichen Bevollmächtigten, dem Rechtsanwalt Dr. Michael Biehler und Reiner Knäusl, ehemaliger Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, nur wenig entgegensetzen. Dennoch erscheint ein Erfolg der Klage eher ungewiss.
Nachdem keiner ernsthaft bestreiten kann, daß das pure Alter kein zulässiges Differenzierungskriterium ist, hatten die Vertreter von Landtag und Staatsregierung große Probleme, die Altersbeschränkung sachgerecht zu begründen, insbesondere eine tragfähige sozialpolitische Begründung hierfür darzulegen. Jedenfalls konnte das plötzlich in der Verhandlung mit Zahlen aus dem Krankenkassenbereich belegte höhere Risiko einer Erkrankung ab dem 55. Lebensjahr ebenso wenig überzeugen, wie der Hinweis auf die Dienstunfähigkeit von 30 BürgermeisterInnen seit dem Jahre 2003, letzteres gerade vor dem Hintergrund einer Bezugszahl von ca. 3.000 BürgermeisterInnen. Die von Peter Paul Gantzer dargelegte Möglichkeit der Gemeinderäte bei Gemeinden bis 10.000 EinwohnerInnen autonom darüber entscheiden zu können, ob der/die BürgermeisterIn berufsmäßig oder ehrenamtlich tätig ist, ist meines Erachtens sehr überzeugend und eingängig. Das Argument der Bayerischen Staatsregierung, daß hauptamtliche BürgermeisterInnen eine größere Verantwortung trügen wie ehrenamtliche wurde spätestens mit dem ausdrücklich erwähnten Verweis auf das Gebahren in der Gemeinde Aschheim ad absurdum geführt; erinnerlich wurde dort nicht nur im Hinblick auf die Kommunalwahl 2008 beschlossen, der Bürgermeister fungiere zukünftig ehrenamtlich, sondern 12 Jahre zuvor mit der Begründung auf gestiegene Aufgabenlast und Verantwortung genau das Gegenteil. Wenig konnte auch seitens der Vertreter von Landtag wie Staatsregierung gegen das Argument vorgebracht werden, daß es nicht Aufgabe des Gesetzgebers ist, den Souverän, die WählerInnen, vor angeblich "zu alten" KandidatInnen zu bewahren; überhaupt mußte die Gegenseite immer wieder aufpassen, die souveränen Entscheidungen der WählerInnen nicht zu relativieren.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der durchaus spitzen Nachfrage seitens des Gerichts würde ich prophezeien, daß die Übergangsregelung 2020 nicht halten wird; die Argumente, die Regelung würde ohnehin erst 2029 richtig greifen und es sei entsprechend dem angehobenen Renteneintrittsalter verfahren worden, scheinen sehr dünn.
Dagegen halte ich es aber für offen, ob der Senat tatsächlich die Alterbeschränkung komplett für verfassungswidrig erklärt; dabei gewinnt der Hinweis des Gerichts möglicherweise an Bedeutung, daß nur Nordrhein-Westfalen die Altersgrenze vollständig abgeschafft hat, wohingegen es auch Bundesländer gibt, die eine Grenze schon bei 62 Lebensjahren festgelegt haben. Wenn das Gericht mutig ist, folgt es den überzeugenden Argumenten der AntragstellerInnen, andernfalls wird es die Altersgrenze von 65 auf 67 Jahre durchgehen lassen. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß ein Verfassungsorgan (Verfassungsgerichtshof) sicherlich nicht leichtfertig eine Entscheidung des unmittelbar durch die WählerInnen legitimierten Verfassungsorgans (Bayerischer Landtag) für unwirksam erklären wird - lassen wir uns am 19. Dezember überraschen.